Wolkendrache

von Lisa Aigelsperger
Leykam Verlag, Wien
2021, 32 Seiten
Altersempfehlung: ab 8 Jahren
Preis: 14,50 Euro

Ich zum Beispiel weiß, dass man in Wolken lesen kann. Konnte ich schon, als ich noch klein war. Das Lesen der Wolken hat mir mein Großvater beigebracht.

Einen Hund hatte ich nicht. Dafür hat Fynn einen. Seinen besten Freund für alles: Doti.

Auf einem Spaziergang im Frühling entdeckt Fynn am Himmel eine wunderschöne Drachenwolke. Ist kein Drache, mein Hase, sagt Mama. Ich bin kein Hase. Und doch. Ist wohl ein Drache. Doti bellt zur Bestätigung. Erwachsene sehen einfach anders als Kinder. Und Hunde.

Im Sommer, am Meer, entdeckt Fynn im Wasser einen schwimmenden Drachen. Kein Drache, Spatz. Sagt Mama. Ich bin kein Spatz und doch. Ist wohl ein schwimmender Drache. Doti bellt und bestätigt auch sein eventuelles Anderssein.

Der Winter bedeckt mit Schnee Fynns Welt.
Es gibt nichts zu entdecken.
Er ist traurig. Doti gibt es nicht mehr.
Fynn fragt sich, wo Doti wohl jetzt ist.
Doti sei jetzt ein Drache, sagt Mama.

Hatte sie ihm nicht seit dem Frühling immerzu widersprochen, wenn er etwas entdeckt zu haben glaubte!

Viele Sommer später ist Fynn erwachsen.

Auf einem Spaziergang stellt Mama die Frage, die sie ihm seit seiner Kindheit immer wieder gestellt hatte: „Was siehst du?“ Und Fynn sagt, was er sieht. Alles, nur keine Drachen. Obwohl…

Egal, was Ihr seht, wenn Ihr in den Himmel schaut, lasst Euch nicht einreden, dass es da nichts gibt. Es ist Eure Phantasie, die Euch trägt, es ist Eure Sehnsucht, die Euch führt, es sind eure Freundschaften, die Euer Leben reicher machen und es werden Eure Verluste sein, die ihr für Euch durchlebt.

Und wenn Ihr erwachsen seid, erinnert Euch. Bewahrt Euch Eure Kindheit und gebt die Kraft der Phantasie an Eure Kinder weiter.

Bremen, 5. April 2021