Colette verschwand am zweiten Freitag im April. Bevor irgendjemand ihr Verschwinden überhaupt bemerkte, war es ein ganz stinknormaler Morgen. Auch für Frankie, die eigentlich Frances heißt.
Colette und Frankie waren Freundinnen. Beste Freundinnen. „Wenn wir nicht sterben, lass uns Freunde sein.“ Das hatte Colette damals gesagt. Und da sie nicht starben, wurden sie Freundinnen.
Bis zu dem Tag, an dem Colette lieber mit den anderen Mädels rumhing. Und an dem Tag, als Colette sie nicht verteidigt hatte vor den anderen. Seitdem reden die beiden kein Wort mehr miteinander.
Frankie kann auch alleine klarkommen. Wenn sie ihre Medikamente nimmt, hat sie ihre Wut im Griff. Außer wenn man sie anfasst. Das kann sie gar nicht haben und wenn etwas den ganz normalen Tagesablauf stört oder durcheinanderbringt, dann wirbelt es auch Frankie durcheinander. Wie ein Tornado.
Vielleicht liebt Frankie deshalb diese Luftkatastrophenstürme auch so sehr.
Und weil Frankie eben anders ist, als die meisten in ihrem Alter lässt sie das Verschwinden von Colette nicht los.
Gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Tess und mit Colette hatten sich sich Mutproben ausgedacht. Irgendwie scheinen diese Mutproben etwas mit Colettes verschwinden zu tun zu haben. Und weil Frankie ist wie sie ist, wird sie der Sache auf den Grund gehen. Konsequent, hartnäckig und bis zum Ende.
Bremen, 31. Juli 2021