Hallo, ich heiße Rosa. Wie ich in das Nest der Familie Rabe gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Mein Ei hat eine andere Farbe gehabt als die von meinen Geschwistern. Meines war sehr schön rosa. Ich glaube, deshalb nennt Mama mich Rosa.
Meine Geschwister und ich haben sehr liebevolle Eltern. Nur komisch, dass ich meinen Geschwistern überhaupt nicht ähnlich bin. Dabei machen wir alles zusammen. Wir essen was die Eltern uns bringen, ich krächze genauso laut wie meine Geschwister.
Leider wachsen mir keine Federn. Mir ist immer kalt. Papa hat mir ein Kleid und eine rote Kappe besorgt. Die Nachbarn wundern sich über mein Aussehen. Sie tuscheln und sprechen mit meinen Eltern über mich. Geben Ratschläge, wie aus mir ein Rabe werden könnte. Alles Quatsch. Aus mir will einfach kein Rabe werden.
Nach und nach lernen meine Geschwister fliegen. Ich übe fleißig. Aber bei mir sieht das komisch aus und funktioniert überhaupt nicht. Wie auch, ich habe keine Flügel. Aber die Dinger, die ich stattdessen habe, sind prima für andere Sachen. Irgendwann muss ich mir eingestehen, dass ich anders bin. Mir egal.
Als der Herbst kommt, ist es für meine Eltern an der Zeit, in den Süden zu fliegen. Ich soll natürlich mit. Die Reise ist anstrengend, aber sehr schön. Irgendwann bauen die Eltern ein neues Nest. Die Familie wird also wieder größer.
Wenn meine neuen Geschwister schlüpfen, werde ich sagen: „Herzlich Willkommen auf der Welt. Ich bin Eure Schwester, die Rabenrosa!“
Bremen, 4. März 2015