Jochen Voit und Hamed Eshrat erzählen, warum Karl kein Radfahrer sein wollte – nach einer wahren Lebensgeschichte.
Hamed Eshrat und Jochen Voit besuchen Karl Metzner an seinem 90. Geburtstag und unterhalten sich mit ihm.
Karl Metzner steht nicht gerne im Mittelpunkt, schreiben sie. Dabei war er Pfarrer und müsste das Im-Mittelpunkt-Stehen eigentlich gewohnt sein. Er spricht auch nicht gerne über sich. Lieber drückt er einem Flyer in die Hand, die zu Friedens-Demos aufrufen, oder empfiehlt nachdrücklich aktuelle politische Bücher.
Trotzdem haben wir ihm immer wieder Fragen zu seinem Leben gestellt, schreiben Hamed und Jochen weiter. Irgendwann haben wir gemerkt, dass dieses Leben eine aufschreibens- und zeichnenswerte Geschichte ist. Sie handelt von Widerstand und Opposition in zwei deutschen Diktaturen. Es bedurfte einiger Überredung, Karl Metzner das Medium Comic schmackhaft zu machen. Doch dann gab er dem Projekt, nach einiger Bedenkzeit und Gesprächen mit seiner Familie, seinen Segen:
Karl und seine Schulfreunde verteilen Flugblätter gegen die Nazis, werden von der Gestapo verhaftet und eingesperrt. Mit Glück entgehen sie der Todesstrafe, wohl auch, weil einer ihrer Lehrer für sie gesprochen und die Familien unterstützt hat.
Das alles ist fast 20 Jahre her. Aus dem Teenager Karl ist ein erwachsener Mann geworden. Als Pfarrer kümmert er sich um eine kleine Gemeinde in der DDR. An damals denkt er kaum noch. Bis zu dem Tag, an dem er nach Berlin fährt und Bekanntschaft mit einem Stasi-Mitarbeiter macht. Der stellt ihn vor eine schwere Entscheidung.
Karl Metzner wird am 1. Oktober 1927 in Großbreitenbach im Thüringer Schiefergebirge geboren. Karl gehört dem Jungvolk an, später der Hitlerjugend. Dank eines Stipendiums darf er die schulgeldpflichtige Handelsschule in Erfurt besuchen.
Hier lernt er Jochen Bock kennen und wird Mitglied der Widerstandsgruppe. Die Biografien der Männer des Widerstandes findet Ihr am Ende des Comics.
Die Flugblätter entstehen auf Karl Metzners Schreibmaschine.
Im Gefängnis leidet Karl Todesangst. Doch er hat Glück und wird vor Gericht nur als „Mitläufer“ eingestuft und, wie Emmerich und Bergmann, wegen Beihilfe an der „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“ zu einer Haftstrafe verurteilt, die durch die Untersuchungshaft abgegolten ist. In US-amerikanischer Kriegsgefangenschaft findet er zum christlichen Glauben.
In der DDR wird er evangelischer Pfarrer und jahrelang vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) beobachtet. Mit erpresserischen Methoden versucht das MfS, ihn zur Mitarbeit zu zwingen. Doch Karl Metzner hält die Stasi sechs Jahre lang hin. Schließlich stellt die Stasi 1966 ihr Werben bei ihm ein. Trotzdem steht er weiterhin unter Beobachtung.
1989 ist Karl Metzner einer der Akteure der Friedlichen Revolution.
Es ist wichtig, Geschichten wie diese zu kennen, damit man stark ist gegen das Gebrüll am Stammtisch, das Gegröhle von denen, die glauben, dass ihre Zeit gekommen ist – und in Bierzelten und auf der Straße.
Bremen, 9. September 2018