Da gibt es einen kleinen Wolf, der für sein kleines Wolfsleben gerne liest und im Laufe der Jahre ein so großes Wissen erlangt hat, dass ihn jeder „Kleiner weiser Wolf“ nennt.
Darauf ist er mächtig stolz, zumal er bei den Tieren in der Nachbarschaft als Ratgeber und Alleswisser berühmt und bekannt war. Alles schön und gut. Leider steht irgendwann einer seiner Nachbarn, den eine ausgesprochen wichtige Frage beschäftigt und die er gern beantwortet hätte, vor verschlossener Tür. Der kleine Wolf hatte keine Lust mehr auf all diese Fragen. Das hielt ihn vom Studium seiner Bücher ab. Also – Tür zu. Schild davor. Und Ruhe ist.
Bis eines Tages der Gesandte des Königs – in Gestalt einer Krähe – durchs Fenster fliegt, es sich frech auf dem Sessel bequem macht und ihm eröffnet, dass der König dringend seine Hilfe braucht. Mit ein bisschen Druck und Überredungskunst packt der kleine Wolf seine Sachen und macht sich auf den Weg. Die Fragen seiner Nachbarn, die er unterwegs trifft und links liegen lässt, sind ihm einfach nur lästig.
Schnell merkt der Kleine weise Wolf, dass der Weg zum Palast des Königs nicht mal eben geradeaus geht und leicht zu finden ist. Diese Reise kostet ihn all seine Kräfte. Er beginnt zu begreifen, dass er wohl doch nicht so weise ist, wie alle glauben.
Schließlich hat er sich verlaufen, er hat Hunger und seine Pfoten schmerzen. Völlig entkräftet sitzt er an einen Baum im Wald gelehnt und sagt sich, dass es wohl besser wäre, jemand anderer hilft dem König. Bevor er vor Erschöpfung einschläft, entdeckt er ein Zelt, kriecht mit letzter Kraft hinein und findet einen Topf Suppe vor, die er gierig verschlingt.
Was er nicht ahnt – seine Nachbarn sind in der Nähe, beobachten ihn.
Am nächsten Morgen weckt der Bär den kleinen Wolf, der plötzlich ganz kleinlaut ist und dankbar die Hilfe seiner Nachbarn annimmt, die ihm den Weg zum Palast zeigen.
Mit einer Kräutermischung, die nur er, der kleine Wolf, kennt, wird der König schnell wieder gesund. Vor lauter Dankbarkeit bietet der König dem kleinen Wolf an, sein Leibarzt zu werden.
Doch der lehnt ab. Ahnt Ihr, warum? Genau. Es ist die Freundschaft zu seinen Nachbarn, die ihn das Angebot des Königs ablehnen lässt. Doch ganz schön weise, dieser kleine Wolf. Auch, wenn seine Nachbarn ihm das erst klar machen müssen.
Bremen, 28. August 2018