Karlinchen könnte eines dieser Kinder sein, das vor Feuer, Bomben, Gewalt, Hass und Angst vor Soldaten seine Heimat verlässt. Karlinchens Familie ist tot. Gestorben im Krieg. Ein Bett hat sie nicht mehr. Sie hat Hunger. Und weil sich niemand um Karlinchen kümmert, hat das Kind keine Wahl. Mutig macht es sich ganz alleine auf den Weg in ein fremdes Land. Zu Fuß natürlich, so wie andere Flüchtlingskinder auch, die zu uns kommen und uns um Hilfe bitten, weil sie sonst nirgendwohin können.
Auf der Flucht macht Karlinchen sehr seltsame Erfahrungen. Da sitzen zum Beispiel Menschen zufrieden vor ihrem schönen Haus und genießen die Abendsonne. Karlinchen erzählt ihre Geschichte und bittet um Hilfe. Sie möchte sich ausruhen, vielleicht auch etwas zu essen, Geborgenheit für einen Moment, Freundlichkeit. Doch die Leute hören nicht zu, fühlen sich in ihrer Ruhe gestört, rufen das Jugendamt. Sie fühlen sich nicht zuständig.
Karlinchen geht weiter. Die nächsten Leute, auf die das Kind trifft, hören gar nicht zu, rufen sofort nach der Polizei. Sie fühlen sich nicht zuständig.
Nicht zuständig? Will ihr wirklich niemand helfen? All diese wohlhabenden Menschen fürchten sich vor ihr, rufen nach Polizei und Jugendamt, verjagen Karlinchen und rühren keinen Finger, um ihr zu helfen. Schließlich sind sie nicht zuständig. Was willst du hier?! Bleib, wo du hergekommen bist! Du willst etwas von unserem Wohlstand. Das werden wir nicht zulassen!
Aber wo soll sie hin? Eine Heimat hat sie nicht mehr. Bomben zerstören Häuser und töten Menschen. Es gibt nichts zu essen, die Eltern sind tot. Gestorben in einem Krieg, den Karlinchen nicht versteht und vor dem sie davongelaufen ist in ein Land, von dem man sagt, dass es gut ist zu Menschen wir ihr. Karlinchen erkennt, dass das eine Lüge ist. Sie ist mutlos, traurig, hungrig und vermisst ihre Eltern.
Karlinchen!! Hallo?! Da gibt es jemanden, der das wenige, das er selbst hat, mit dir teilen will. Schau nach oben! In diesem großen Baum dahinten. Geh einfach hin! Du wirst schon sehen!
Diese Bilderbuchgeschichte ist hochaktuell. Überall tauchen plötzlich Menschen auf, die unseren Staat um Hilfe bitten. Menschen wie Karlinchen. Geben wir ihnen doch die Hilfe, die sie benötigen. Für wie lange?
Das weiß ich auch nicht, denn der Krieg in Syrien dauert sicher noch eine ganze Weile, weil zu viele Politiker ihre Machtspielchen treiben und ihnen die Menschen in Syrien dabei völlig egal sind. Sie lassen sogar Krankenhäuser bombardieren, in denen Ärzte sich um Verletzte kümmern.
Eines Tages werden sich diese Politiker für all diese Schandtaten verantworten müssen. Da bin ich mir sicher.
Wir hier in unserem reichen Deutschland sollten dankbar dafür sein, dass es uns gut geht und wir seit 70 Jahren in Frieden und Wohlstand leben können.
Geben wir ein wenig davon ab!
Bremen, 10. Februar 2016