Es ist nicht wirklich cool, aufzuwachen und gestorben zu sein. Oder?!
Emily ist das gerade passiert. Genauer gesagt, findet sie sich in einem Sarg wieder, der offenbar auf dem Friedhof Père Lachaise in die Erde gelassen wurde. Träumt sie vielleicht wieder einen dieser Gruselträume, die sie immer hat, wenn sie mal wieder zu viele Gruselgeschichten gelesen hat? Oder hat ihre Schwester die Vorhänge komplett zugezogen, damit sie sich gruselt, wenn sie wach wird?! Nein. So ist das nicht. Das wird ihr schneller klar, als ihr lieb sein kann.
Und jetzt?! Sie befreit sich selbst aus ihrem unterirdischen Holzgefängnis und beschließt, die Gegend zu erkunden. Kann ja nicht schaden. Dabei stellt sie sich schon die Frage, ob sie vielleicht für immer hier herumspuken muss, oder was?! Das wäre ja noch schöner. Schließlich hat sie ein angewachsenes großes Mundwerk, mit dem sie immer schon ihre Umwelt dazu gebracht hat, sich die Haare zu raufen und genervt die Augen zu verdrehen. Sie wird das hier klären und verschwinden.
Das mit dem Verschwinden funktioniert nicht, muss sie erkennen. Auch lässt sich ihr Zustand nicht so ohne weiteres rückgängig machen. Das machen ihr die klar, die schon länger hier ihr neues Zuhause haben und es ebenfalls nicht verlassen können. Alles klar, denkt sie. Ich spiele diese Spiel mal mit und warte auf die passende Gelegenheit, um mich aus dem Staub zu machen.
Emily lernt, dass es auf Père Lachaise Regeln gibt, an die man sich besser hält, um nicht bestraft zu werden. Sie erfährt, dass sie zu denen gehört, die sich zwischen den Welten aufhalten, die also noch nicht gänzlich tot sind und sie erfährt auch, dass sie keines natürlichen Todes gestorben ist. Sie wurde ermordet. Von wem, erfährt sie erst später.
Sie fügt sich vordergründig, schließt Freundschaften, arbeitet in der Landschaftsgärtnerei unter der Leitung dieses unsäglich schlecht gelaunten Skelettes, mit dessen Kopf sie fast Fußball gespielt hätte, als sie sich aus dem Sarg befreit hat. Weil – jedem hier wird eine Aufgabe zugeteilt.
Sie glaubt fest daran, dass es eine Möglichkeit gibt, wieder zu den Lebenden, also zu ihrer Familie, zurückzukehren. Dafür muss sie sich von ihrem Mörder allerdings ihr Leben zurückholen.
Was sie zum Zeitpunkt dieser Information noch nicht weiß, ist, dass sie von jemandem beschützt wird. Welche Rolle ihr verstorbener Vater dabei spielt, erfährt sie auch erst ziemlich spät.
Von Cosimo, ihrem etwas tüddeligen Irrlicht-Freund erfährt Emily von der Möglichkeit, sich für den bevorstehenden Kampf mit ihrem Mörder entsprechend ausbilden zu lassen. So macht sie die Bekanntschaft von Balthasar, dem besten und mutigsten Vampirkämpfer. Von ihm will sie alles lernen, was nötig ist, um sich von ihrem Mörder Asmaron ihr Leben zurückzuholen.
Der versucht allerdings, sie mit allen Tricks loszuwerden, stimmt schlussendlich aber ihrer Ausbildung zu.
Sehr viel später erkennt sie, dass ihr Vorhaben auch für Balthasar weitaus gefährlicher ist, als sie es jemals für möglich gehalten hätte.
Mit ihrem großen Mundwerk kommt sie allerdings erst mal nicht allzu weit. Sie lernt zwar schnell, ihre Ungeduld lässt sie aber unvorsichtig sein. Also macht sie Fehler. Denkt Situationen nicht zu Ende. Bringt sich ohne Not in die gefährlichsten Situationen, aus der Balthasar sie manchmal nur in letzter Sekunde retten kann.
Kein Wunder also, dass Balthasar sich irgendwann am Rand zur Verzweiflung sieht und kurz davor ist, aufzugeben. Das macht er natürlich nicht, denn er weiß, wer Emily ist. Sie ist die Tochter des Mannes, dem er freundschaftlich verbunden ist und der immer noch als ein hoch angesehener „Weißer Krieger“ in Emilys neuer Welt verehrt wird. Nur deshalb zeigt Balthasar Geduld.
Tatsächlich schafft Emily es, ihr großes Mundwerk zu bändigen, sich von Balthasar ausbilden zu lassen und erfährt erst sehr spät, über welche magischen Kräfte sie ohnehin immer schon verfügt hat, aber erst lernen musste, damit umzugehen.
In einem dramatischen Kampf besiegt sie Asmaron, holt sich ihr Leben zurück und könnte jetzt zu ihrer Familie zurückkehren. Macht sie das?
Ein wirklich wunderschönes magisches Buch!
Bremen, 20. September 2018