Umzug ist manchmal Mist. Und wenn es auch noch regnet, und man nichts unternehmen kann, ist es doppelter Mist. Sieht Jonas auch so. Das hier ist nämlich seine Geschichte.
Es regnet gerade „Cats and Dogs“ – und zwar ziemlich lange und ausgiebig. Für die Menschen in Jonas Gegend bedeutet das Hochwasser. Sogar im Keller des Hauses, in dem Jonas wohnt steht, Wasser. Aber gut, wenn sich das Wasser irgendwann zurückzieht. Dann kann für Kinder die Schatzsuche losgehen. Denn Wasser spült oft ziemlich skurrile Sachen „an Land“. Wissen wir hier oben im Norden. Wenn es dann wieder trocken geworden ist, werden sogar allerlei Spuren sichtbar.
Auch Jonas entdeckt Spuren im Keller. Fußspuren. Winzig kleine. Von einem Tier? Sicher nicht. Neugierig folgt er den winzigen Fußabdrücken und steht vor etwas, das er nicht einordnen kann. Das Ding da oben an der Wand gehört da bestimmt nicht hin. Soviel steht fest. Und es scheint komplett kaputt zu sein, leuchtet aber an einer Stelle. Schwach, aber es leuchtet.
Und dann bleibt Jonas fast sein Herz stehen, denn dieses kaputte Ding scheint eine Tür zu haben. Die öffnet sich im Moment. Auf der Türschwelle steht ein kleiner Mann mit einem Muschelhut. Das ist der kleinste Mann, den Jonas jemals gesehen hat. Sprechen kann er auch. Mit einer leichten Verbeugung stellt er sich vor. Sein Name sei Ozean, sagt er und er wohne seit gestern als Untermieter hier im Keller. Sozusagen. Er sei mit der großen Sturmflut – also dem Hochwasser – hier unten gestrandet.
Man kommt ins Gespräch, findet sich sympathisch, wird beste Freunde und verbringt ab jetzt jede freie Minute zusammen. Und einen eigenen Briefkasten bekommt Herr Ozean auch. Sehr praktisch.
Doch Herr Ozean wäre nicht Herr Ozean, wenn er nicht irgendwann diese große Sehnsucht in sich spüren würde, die alle Seeleute nach einem langen Landurlaub in sich tragen. Sie müssen zurück aufs Meer. Geht nicht ohne. Genauso geht es Herrn Ozean irgendwann. Aber sein Schiff ist kaputt. Er benötigt dringend ein neues. Soviel steht fest.
Also gut: Ein neues Schiff muss gebaut werden. Schön gedacht. Aber wie baut man ein winzig kleines Schiff für den winzig kleinen Herrn Ozean mit dem zauberhaften Muschelhut?
Man holt sich Hilfe.
Hanna und Leo wohnten in der Nachbarschaft und werden in den Plan eingeweiht. Gemeinsam beschließen die Kinder, für Herrn Ozean ein Schiff zu bauen. Das ist schneller ausgesprochen als in die Tat umgesetzt. Aber! Das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen, denn Kinder haben ja bekanntlich Fantasie. Also – das Ergebnis.
Hier ist es:
Ein Topf, ein Kochlöffel, ein Stöpsel vom Waschbecken, ein Bleistift, eine Zahnbürste, ein Lineal, Klebeband und jede Menge andere Utensilien machen aus all dem ein wunderbares Schiff. Es ist wie gemacht für Herrn Ozean. Hat sogar Segel.
Dann ist es soweit. Der Abschied. Jonas ist traurig, Herr Ozean auch, aber er tröstet ihn. Mit dem nächsten Hochwasser sei er ganz bestimmt wieder in der Gegend, sagt er und geht an Bord.
Und Hochwasser, lernt Jonas später von seinen neuen Freunden, gibt es hier reichlich. Auch im Frühling, wenn der Schnee in den Bergen schmilzt. Na, das hört sich für Jonas doch prima an, was meint Ihr?!
Die Autorin, Louise Heymans, hat diesem Kinderbuch wundervolle Zeichnungen gegeben. Beim Anschauen des Buches habe ich mich gefragt, wie die wohl entstanden sind. Sie sind wohl in einem sehr aufwendige Verfahren entstanden, an dessen Ende diese tollen Illustrationen stehen. Ihre Arbeiten hat sie bereits im In- und Ausland auf Ausstellungen gezeigt und diverse Preise erhalten. Im Augenblick lehrt sie an der HAW Hamburg.
Ein Schatz!
Bremen, 5. April 2020