Wurmlöcher! Schon mal gehört? Ja genau, diese physikalische Möglichkeit in einem Raum zu sein und durch ein „Wurmloch“ gleichzeitig an einer anderen Stelle zuzusehen. Hat was mit Einstein zu tun und seiner Relativitätstheorie. Klingt völlig verrückt, gibt es aber tatsächlich. Also theoretisch!
Jedenfalls hat Gottie in letzter Zeit immer wieder diese Aussetzer, in der sie sich in einer anderen „Raumzeit“ befindet. Und sich nachher nicht genau erinnern kann, was sie im wirklichen Leben getan hat. Sie driftet immer wieder ab in die Vergangenheit, in die Vergangenheit mit ihrem besten Freund Thomas, der weggezogen ist und an die Zeit mit ihrem Großvater. Der ist nicht weggezogen, der ist tot. So ziemlich genau seit einem Jahr. Ein Jahr in dem Gottie alles einmal ohne ihren Großvater machen muss. Geburtstage feiern, den Winter begrüßen, Weihnachten, Ostern und auf den Sommer warten.
Der ist nun endlich da, der Sommer. Und Gottie kann nicht, will nicht, nichts anderes machen als unter dem Apfelbaum liegen und in den Himmel schauen. Aber da sind ja noch die Schule und Thomas, der auf einmal wieder auftaucht in ihrem Leben und da ist auch noch der Junge, in den sie verliebt war, bei dem sie das erste Mal Schmetterlinge im Bauch hatte so mit allem Drum und Dran und der sie in der schwersten Zeit ihres Lebens verlassen hat.
Gottie versinkt immer mehr in eine Welt, in die andere ihr nicht folgen können. In einer Welt zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen den Zeiten. Doch was niemand bemerkt: Gottie versucht verzweifelt mit ihrer Wut, ihrer Einsamkeit und ihrem Unglücklichsein klar zu kommen und diese überschüssige Energie endlich loszuwerden.
Bremen, 3. März 2017