Dieses Bilderbuch, das ich mit Erwachsenen anzusehen empfehle, soll für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sein, die sich in diesen Zeiten nicht vom Pöbel einschüchtern lassen (wollen).
Die Geschichte: Ein nackter Mann und sein Floss stranden an einer Insel. Heißen die Bewohner ihn willkommen? Nein. Im Gegenteil. Sie stellen sich ihm mit Mistgabeln und anderem Handwerkszeug, das Landwirte benutzen, in den Weg. Am liebsten würden sie ihn mitsamt seinem Floss wieder aufs Meer jagen.
Doch einer von ihnen, ein Fischer, sagt: „Nein. Wir müssen ihm helfen. Das Meer wäre sein sicherer Tod.“ Also treiben sie ihn mit ihren Mistgabeln, Schaufeln und Harken in einen alten Ziegenstall. Der ist gut genug für ihn, sagen sie. Sie verschließen die Tür und gehen ihrer Wege. Dem Mann geben sie weder Kleidung noch Essen und Trinken. Das finden sie in Ordnung.
Eines Tages kann der Mann sich befreien, geht ins Dorf. Er hat Hunger und Durst, braucht Kleidung. Das sorgt bei den besorgten Bewohnern für Unmut, Angst und Ärger. Wieder ist es der Fischer, der sagt: „Geben wir ihm Arbeit. Dann kann er sich selbst versorgen.“ Aber der Mann ist für das, was man ihm anbietet, zu ungeschickt. Also sperren sie ihn zurück in den Ziegenstall, verstärken die Tür, schließen ab und überlassen den Mann seinem Schicksal.
Ein paar der besorgten Bewohner gehen durchs Dorf, in die Schule, ins Wirtshaus, in die Kirche – und erzählen Unsinn über den Mann. Sie sprechen von „Wilden“, die ihre Kinder schänden und sie holen, wenn Teller nicht leer gegessen werden oder wenn sie frech sind. Das alles schaukelt sich sehr schnell gefährlich hoch, auch deshalb, weil sogar die Zeitungen die Angst vor dem Fremden schüren.
Das Unheil ist nicht aufzuhalten. Die Bewohner fassen einen Entschluss. Mit Mistgabeln, Harken und Schaufeln marschieren sie zum Ziegenstall, fesseln den Mann, setzen ihn auf sein Floss und schieben das Floss zurück aufs Meer. In den sicheren Tod.
Einen Schuldigen für all das haben sie schnell ermittelt. Den Fischer. Die besorgten Bewohner zünden sein Boot an und schieben auch das aufs Meer, wo es ausbrennt. Dann gehen sie daran, ihre Insel vor allem Fremden zu schützen. Sie bauen eine riesige Mauer um die Insel. Mit Türmen. In jede Himmelsrichtung bauen sie einen. So können sie das Meer überwachen und sind sicher.
Im Nachwort von Heribert Prantl lese ich: „Man erschrickt bei diesem Ende. Es erinnert an die aktuelle Politik. Dieses Buch ist eine Mahnung: Mit Flüchtlingen, die Schutz suchen und Hilfe brauchen, müssen wir anders umgehen. Sie sind Menschen, die Angst haben. Menschen wie wir.“
Bremen, 1. Oktober 2015