Emma freut sich auf Weihnachten. Sie ist gespannt, was sie in diesem Jahr wohl bekommt.
Emmas Eltern freuen sich auch auf Weihnachten. Leider streiten sie sich gerade wegen jeder Kleinigkeit. Zum Beispiel darüber, dass die Weihnachtsgans, die Emmas Mutter gekauft hat, nicht in den Bräter passt.
Papas Idee, die Gans doch prima ohne Bräter auf ein Backblech in den Ofen zu schieben, überhört Mama im Streit. Kann passieren. Also muss das große Tier im viel zu kleinen Bräter kühl gelagert werden, bis man morgen einen größeren
Bräter kaufen kann. Die Gans landet vor der Wohnungstür im Hausflur. Da ist es wenigstens kühl.
Am nächsten Morgen ist die Gans verschwunden. Nur der leere Bräter steht noch da. Irgendjemand muss die Gans doch gesehen haben. Also klingeln die Eltern an allen Wohnungstüren und fragen, ob jemand vielleicht ihre Gans gesehen hat. Hat niemand. War klar.
Die Familie im 1. Stock lädt Emma und ihre Eltern spontan ein, mit ihnen gemeinsam zu essen. Andere öffnen erst gar nicht oder nur einen winzigen Spalt, um irgendetwas unfreundliches zu sagen.
Lange Rede kurzer Sinn. Die Familie setzt sich ins Auto und fährt zum Supermarkt. Kaufen wir halt eine neue Gans. Doch der Supermarkt schließt gerade. Auch der nächste und der nächste.
Emma findet das prima und vergleicht die verschwundene Gans und die geschlossenen Supermärkte mit sich selbst als Jesuskind und ihre Eltern mit Maria und Josef, die in der Weihnachtsgeschichte auch ständig abgewiesen wurden. Schöner Vergleich.
Plötzlich ist der Streit vergessen, alle haben sich lieb und beschließen, dass es in diesem Jahr Spaghetti mit Tomatensauce gibt. Punkt. Gesagt, gemacht.
Während des Essens klingelt es. Die arabischen Nachbarn aus dem 1. Stock stehen vor der Tür und bringen festlich zubereitetes Hühnchen vorbei.
Es hört gar nicht auf zu klingeln. Nach und nach füllt sich der große Esstisch im Wohnzimmer. Sogar die alte mürrische Dame steht mit einer Keksdose vor der Tür und will an der Weihnachtsfeier teilnehmen.
Es wird das schönste Fest, das Emma jemals erlebt. Die Erwachsenen unterhalten sich, dann wird gesungen, Mama spielt Klavier und die Kinder liegen auf dem Teppich verstreut und haben Spaß.
So etwas nenne ich eine funktionierende Hausgemeinschaft, wunderbar unperfekte Weihnachten und Vielfalt! Wer hätte das nicht auch gerne?!
Ach so – und wer hat jetzt eigentlich die Gans gestohlen? Verrät das Buch Euch auf der allerletzten Seite.
Bremen, 23. Oktober 2021