Jeden Tag schaut Sören, der kleine grüne Stein, sehnsuchtsvoll von seinem Felsen aus auf das Meer. Er möchte so gerne das Meer spüren und seine Geheimnisse ergründen. Er fragt den Felsen, wann es soweit ist.
Das Meer wird zu dir kommen, sagt der Felsen. Irgendwann. Du musst warten. Aber es dauert ewig, bis das Meer zu ihm kommt. Er wartet tagelang, jahrelang, jahrhundertelang.
Dann tobt plötzlich ein mächtiger Jahrhundertsturm und reißt Sören mit sich ins Meer. Nun liegt er am Meeresgrund und lauscht den Geschichten der Meeresbewohner. Mit der Zeit schleift das Wasser des Meeres seine Kanten rund und griffig. Doch irgendwann hat er genug vom Meer und all seinen Bewohnern, die ständig Geschichten erzählen. Er will zurück auf seinen Felsen. Zurück nach Hause.
Und er hat wirklich Glück. Als die Wellen sich für einen kurzen Moment zurückziehen, wird er gefunden. Von einem kleinen Mädchen mit einer ganz besonderen Gabe. Dieses Mädchen findet nämlich Dinge, die gefunden werden wollen. Und Sören will gefunden werden. Ganz sicher.
Das kleine Mädchen hält Sören in ihren Händen, wie einen Schatz. Es läuft zu seiner Mutter und zeigt ihr, was sie gefunden hat.
Den nehme ich mit nach Hause, sagt das kleine Mädchen.
Du kannst diesen Stein nicht behalten, sagt die Mutter.
Warum nicht?
Weil das ein Glücksstein ist. Du musst ihn ins Meer werfen, damit das Glück dich findet und zu dir kommt.
Es fällt dem kleinen Mädchen schwer, das zu verstehen. Doch es holt aus und wirft Sören hoch in die Luft. Großartig. Sören landet auf einem Felsen im Meer. Sören ist endlich wieder zuhause.
Ob er den Ausflug genossen hat?
Und ob er weiß, dass er ein Glücksstein ist?
Das kleine Mädchen wird es wohl nie erfahren.
Oder vielleicht doch.
Bremen, 12. September 2021