„Hochmut kommt vor dem Fall!“ war ein beliebter Spruch meines Großvaters.
Der Spruch passt auch ziemlich gut auf den Hahn, der mit einer Hennen-Gefolgschaft auf dem Bauernhof residiert. Und weil ein Hahn ein Hahn ist, begrüßt er aufgeplustert mit seinem Gekrähe jeden einzelnen Tag.
Das würde auch bis in alle Zukunft so weitergehen, wären da nicht eines Tages diese beiden Mäuse in Hörweite des Hahnes, die darüber fachsimpeln, dass der Hahn wohl nicht krähen würde, weil die Sonne aufgeht, sondern es sei eher so, dass die Sonne nur aufgehen würde, weil der Hahn kräht. Und schon beginnt es im Hahn-Gehirn zu arbeiten. Er verspürt Macht. Da lässt sich doch mit arbeiten!
So viel sei gesagt: Auch Hähne überschätzen sich gelegentlich. Nicht nur amerikanische Präsidenten, oder?! Ganz eingenommen von seiner vermeintlichen Wichtigkeit für die Welt, stellt er die Behauptung auf, dass der Bauernhof und der Rest der Welt (das hätte er wohl gerne) in ewiger Dunkelheit versinken würde, wenn er nicht Morgen für Morgen krähen und die Sonne dazu bringen würde, aufzugehen.
Die dummen Hühner glauben ihm natürlich und tun alles, um den Aufschneider bei Laune zu halten. Die machen sich kleiner, als sie ohnehin sind und bauen sogar seinen Misthaufen, auf dem er immer zu krähen pflegt, ein klein wenig höher, damit der Kräher näher an der Sonne krähen kann. Gehts noch?!
Es passiert, was passieren muss: Der Hahn wird überheblich, frisst zuviel, wird träge und faul und verpennt eines Morgens seinen Auftritt. Und siehe da: Die Sonne kann auch ohne ihn!
Wie sich die versammelte Hennenschaft an dem Aufschneider gerächt hat, ist leider nicht überliefert.
Bremen, 5. Juli 2020