Diese wunderbare Weihnachtsgeschichte spielt in Japan.
Wie immer, wenn sich zwei Kulturen verheiraten, gibt es eine Zeit, in der sich ein Teil an die eigene Kindheit erinnert. Hier ist die Mutter Amerikanerin, die mit einem Japaner verheiratet ist und in seinem Land lebt.
Es gibt einen kleinen Sohn, der uns erzählt, er sei noch zu jung, um lange Hosen zu tragen. Trotzdem spielt er liebend gern am Teich der Nachbarn, in dem Karpfen schwimmen. Die Mutter hat es eigentlich verboten. Aber Ihr wisst ja selbst, wie das ist. Was verboten ist, ist interessant, oder?! In kurzen Hosen, mit dicker Jacke, dicken Handschuhen und einem dicken Schal kniet er am Teich und fischt mit einem Stock nach den Karpfen.
Dumm, dass die Handschuhe irgendwann durchnässt sind und er ins Haus muss. Er ruft nach seiner Mutter, findet sie im Wohnzimmer. Sie faltet jede Menge Origamikraniche. Warum machst du das? fragt der Junge. Weil ich mir etwas sehr großes wünsche, sagt die Mutter.
Seine Mutter hat natürlich längst durchschaut, dass er am Teich war und durchnässt ist. Sie steckt ihn ins heiße Bad und bereitet ihm die Speise zu, die man nur isst, wenn man krank ist: Reisschleimsuppe.
Dann rumort es im Garten. Der Junge schaut nach. Die Mutter hantiert im Garten, obwohl es schneit. Seltsam.
Später bringt sie einen kleinen Baum in das Zimmer ihres Sohnes und auch die silbernen Origamikraniche hat sie mitgebracht.
Was soll das werden? rätselt der Junge.
Die Mutter fädelt einen silbernen Kranich nach dem anderen auf einen Bindfaden und hängt ihn an das Bäumchen.
Warum tut sie das? fragt sich der Junge und die Mutter erklärt es ihm: Sie erzählt ihm, dass sie, lange bevor sie nach Japan kam und seinen Vater heiratete, in einem warmen und sehr weit entfernten Land gelebt hat, das Kalifornien heißt. Es liegt an der Westküste von Amerika, erfährt der kleine Junge. Dort ist heute ein ganz besonderer Tag, sagt sie. Würden wir dort leben, würdest du überall Bäume mit Lichterketten sehen, die mit bunten Kugeln aus Gold und Silber geschmückt sind. Unter diesen Bäumen liegen Geschenke, die Leute dort ihren Freunden und denen, die sie lieben, geben. Es ist ein Tag der Liebe und des Friedens.
Wir brauchen viel mehr Tage wie diesen.
Nachdem alle Kraniche den kleinen Baum zieren, holt die Mutter Kerzenhalter und Kerzen. Der kleine Junge darf die Kerzen anzünden. Vorsichtig. Dann wird die Mutter sehr still. Sie erinnert sich an ihre Kindheit und an die Weihnachtszeit in ihrer alten Heimat.
Am nächsten Morgen findet der kleine Junge genau den Samurai-Drachen, den er sich schon immer gewünscht hat. Sofort will er ihn ausprobieren und steht mit Stiefeln im hohen Schnee.
Es ist nicht die richtige Jahreszeit für Drachen, erklärt die Mutter.
Aber großartig genug, um einen Schneemann zu bauen, sagt der Vater.
Allen Say, der Autor, der uns die berührende Geschichte seines ersten Weihnachtsfestes mit seinen Eltern in Japan erzählt, lebt heute in Portland, Oregon. Er war 16, als er aus Japan nach Kalifornien zog und ein erfolgreicher Fotograf wurde. Diese Arbeit hat ihn bis 1987 erfüllt, dann begann er damit, sich auf das Schreiben und Illustrieren von Kinderbüchern zu konzentrieren. Das war eine gute Entscheidung, denn seine Arbeiten werden seither immer wieder ausgezeichnet.
Ein wunderbares Weihnachtsbuch!
Bremen, 9. November 2019