Wir schreiben das Jahr 1814. Vor der Küste der englischen Ortschaft Hartlepool zerschellt ein französisches Kriegsschiff. An Bord waren französische Soldaten, die sich zu ihrer eigenen Belustigung einen Schimpansen hielten, ihm eine Uniform anzogen und ihn blöde Sachen machen ließen.
Zur damaligen Zeit hassten Franzosen und Engländer sich zutiefst. Schon das Singen eines alten Seemannsliedes aus Cornwall war Grund genug, einen jungen Matrosen den Haien zum Fraß vorzuwerfen. Dann kommt dieser mörderische Sturm auf und das Kriegsschiff zerschellt, wie gesagt.
Zwischen den angespülten Trümmern entdecken die Bewohner des Hafenstädtchens den einzigen Überlebenden. Einen Schimpansen in französischer Offiziersuniform, der als Schiffsmaskottchen an Bord gehalten wurde.
Sie sehen, was sie sehen wollen. Einen verhassten Franzosen, an dem sie ihren ganzen Hass austoben wollen. In ihrer Bildung ist Wissen über Schimpansen nicht vorgesehen. Also erkennen sie ihn nicht und sperren ihn ein, wollen ihm den Prozess machen. Für ihren Hass auf alles Fremde – Franzosen eingeschlossen – finden sie wirklich gute Gründe.
Der haarige Fremdling entspricht allen Klischees (er ist klein, riecht streng und gibt komische Laute von sich), Zweifel an der Echtheit dieses komischen Franzosen werden überbrüllt und sie bekommen ihr Tribunal. Bevor sie das arme Tier vor Gericht zerren, scheren sie ihm das Fell vom Körper: Vor Gericht erscheint man rasiert. Wenigstens in Hartlepool.
Als der einzig klar denkende Durchreisende, ein Arzt, erkennt, wen oder was die johlende blutrünstige Meute da aufgeknüpft hat, ist es zu spät. Die Mörder sind nur kurz beeindruckt. Schließlich war der ermordete Schimpanse ein französischer Schimpanse. Das rechtfertigt doch alles, oder?!
Basierend auf einem historischen Ereignis ist „Der Affe von Hartlepool“ eine brisante, zeitlose Parabel auf nationalistische Verblendung, Rassismus und Unmenschlichkeit des Krieges und ein wichtiger Beitrag in diesen Zeiten. Seien wir wachsam.
Bremen, 9. September 2018