Ein wenig Weltliteratur gefällig?! Bitteschön.
Ich möchte Euch von einem klassischen Vater-Sohn-Konflikt erzählen. Das gibt es nicht? O doch. Und wie.
Wir befinden uns im Jahr 1912. Im September dieses Jahres hat Franz Kafka diese Geschichte aufgeschrieben und ein Jahr später veröffentlicht.
In dieser Novelle geht es um einen Vater-Sohn-Konflikt. Der Sohn, Georg, hat sich verlobt und will demnächst heiraten. Seinem guten Freund, der zur Zeit in Petersburg lebt und nicht unbedingt vom Glück verfolgt zu sein scheint, verschweigt er die Verlobung ebenso wie die Tatsache, dass er die Geschäfte seines Vaters übernommen hat und die Firma überaus erfolgreich leitet. Georgs Verlobte ist da völlig anderer Meinung. Sie findet, dass Freunde sich alles erzählen sollten und ermuntert ihn, einen entsprechenden Brief nach Petersburg zu schicken.
Bevor Georg den Brief auf den Weg schickt, fragt er den Vater um Rat. Der lebt völlig zurückgezogen in einem abgedunkelten Raum und spricht kaum noch mit seinem Sohn. Als Georg ihm von seinem Vorhaben erzählt, staunt er nicht schlecht, als sein Vater ihm erzählt, dass er den Freund in Petersburg schon lange über die Vorgänge hier zu Hause unterrichtet. Auch von der Verlobung weiß der Freund. Was der Vater von der Frau an Georgs Seite hält, gibt er seinem Sohn ebenso schonungslos zu verstehen.
Vater und Sohn streiten. Der Streit eskaliert. Der Vater wirft dem Sohn hasserfüllt vor, ihn aus der Geschäftsleitung seiner Firma gedrängt zu haben, nur um seinen eigenen Machthunger zu stillen.
Über Georgs Verlobte fällt der Vater ein ebenso vernichtendes Urteil.
Der Höhepunkt des eskalierenden Streites endet mit dem Satz: „Ich verurteile dich jetzt zum Tode des Ertrinkens!“ Tief verletzt und verunsichert verlässt Georg das Haus, rennt auf die Brücke des Flusses, sagt leise: „….liebe Eltern, ich habe euch doch immer geliebt….“ und erfüllt das Urteil.
So oder so ähnlich verlaufender Psychoterror, ausgehend vom Vater, den Sohn betreffend, gibt es heute sicher nicht mehr. Schon gar nicht mit einem derart drastischen Ende. Trotzdem gibt es sie, die Vater-Sohn-Konflikte. Anders, aber nicht weniger heftig. Und überaus schmerzhaft.
Im schlimmsten Fall finden die Protagonisten lebenslang keine Lösung.
Um ehrlich zu sein, gibt es diese Konflikte auch zwischen Mutter und Tochter. Aber das ist eine andere Geschichte.
Bremen, 22. April 2015