Das Hirtenlied ist eine Adventslegende für Euch und alle Erwachsenen, die Ihr kennt. Sie erzählt von einem alten Hirten, der sich gut mit den Sternen auskannte. Und weil das so war, wusste er auch ziemlich genau, dass „er“ ziemlich sicher bald kommen wird. Klar, lästerten die anderen Hirten, die Geschichte wird nicht wahrer, wenn du sie immer wieder erzählst. Sie glaubten ihm natürlich nicht.
Auch sein kleiner Enkel war nicht sicher, ob Opa wirklich wusste, wovon er schon so lange sprach. Also fragte er ihn nach diesem „er“, von dessen Ankunft er schon so lange sprach.
„Er“ würde eine Krone tragen, ein silbernes Schwert und einen purpurnen Mantel. Danach hatte sein Enkelsohn ihn gefragt. Aber er war sich nicht sicher, ob das wirklich so war.
Sein Enkel jedenfalls war mit der Antwort zufrieden und würde liebend gern für einen König auf seiner Flöte dieses Lied spielen, das er schon so lange übte. Würde sein Enkel auch für jemanden spielen, der ohne Krone, Königsmantel und Schwert kommen würde? fragte der Alte. Selbstverständlich nicht. Nicht für so einen. Da war sich der kleine Hirte ganz sicher.
Dann war es soweit.
Eines Nachts war die Nacht. Es geschah, wie der alte Hirte es immer gesagt hatte. Engel erschienen ihnen und sagten, wo sie den Retter der Welt finden würden und alle Hirten, auch der Kleinste, machten sich auf den Weg. Der Alte hatte also Recht gehabt.
Als sie den Retter der Welt endlich fanden, war die Enttäuschung des Kleinen groß. Was bitte war das denn?! Der Enkel des Alten konnte nicht erkennen, dass da vor ihm ein König mit goldener Krone, purpurrotem Königsmantel und silbernem Schwert lag. Was die Hirten vorgefunden hatten, war nichts, als eine ärmliche Behausung, eine Frau, einen Mann und ein Baby in einer Futterkrippe, die mit Stroh ausgelegt war.
Während sein Großvater und die anderen Hirten vor der Krippe knieten und beteten, wandte er sich wütend ab. Das hier musste ein Irrtum sein. Da war er sich sicher. Und ging. Für diese Leute spielte er auf gar keinen Fall.
Plötzlich hörte er, wie das Kind in der Krippe leise weinte. Er hielt sich die Ohren zu. Aber das half nicht. Irgendwie tat ihm das Baby plötzlich leid. Vielleicht würde es sich ja beruhigen, wenn er ihm etwas vorspielte. Mit diesem Gedanken ging der kleine Hirte zurück zur Krippe und spielte auf seiner Flöte das Lied, das er so lange für diesen einen Tag geübt hatte.
Und siehe da: Es klappte. Das Baby schaute den kleinen Hirtenjungen an und lächelte. Und der war sich plötzlich ganz sicher, dass dieses Lächeln ihn gerade reicher machte als ein Königsmantel, eine Königskrone und ein silbernes Schwert.
Schön, oder?!
Bremen, 27. November 2018