Cassandra ist – vorsichtig formuliert – ein Miststück. Ein überaus gebildetes Miststück. Mit viel Geld. Gut. Man könnte mit Wohlwollen auch sagen, Cassandra ist eine egozentrische, boshafte alte Dame mit Wohnsitz in Chelsea. Ach ja. Cassandra ist Kunsthändlerin mit dem Hang zu kriminellen Handlungen. Nein. Sie bricht nirgendwo ein und bestiehlt brave Mitmenschen. Obwohl, so ganz anders ist das, was sie sich leistet, nicht.
Nach dem Tod eines Künstlers verkauft sie unautorisierte Kopien seiner Werke quasi an jedermann, der es sich leisten kann und tritt abends das Geld in die Säcke, wie man so sagt.
Allerdings fliegen ihre krummen Geschäfte auf. Von Hundert zurück auf Null. Keine Haushälterin mehr, die sie herumjagen kann, kein Fahrer. Nada. Nichts.
Wer jetzt auf die Idee kommen sollte, dass diese Frau sich besinnt, liegt falsch. Die Überheblichkeit bleibt ihr treuer Weggefährte und lässt sie einsam Weihnachten feiern. Wie jedes Jahr. Zum Glück wissen wir, dass ihr das nichts ausmacht, weil sie sich selbst ja genug ist. Was braucht sie schon andere?! Pah!
Dann taucht Nicki auf. Nicki ist die Tochter ihrer Schwester, die ihr vor langer Zeit den Mann „gestohlen“ hat. Sowas tut man einer wie Cassandra nicht an. Sowas kann eine wie Cassandra nicht verzeihen. Natürlich nicht. Der Ex ist zwar zwischenzeitlich verstorben, aber das ändert nichts an Cassandras Einstellung. Das nur nebenbei. Fürs erste.
Mit Nicki wird die Geschichte ab sofort zum Krimi.
Nicki braucht eine Bleibe und einen Job und erinnert sich an Cassandra. Die lässt sich überreden. Schließlich hat Nicki ihr nichts getan. Also bietet sie ihr beides nach langen Überlegungen an. Hat sie doch endlich wieder jemanden, den sie herumkommandieren kann! Wie überaus praktisch.
Und – oh Wunder: Nicki lernt Billy kennen. Die beiden verlieben sich. Was Nicki erst nach und nach erfährt: Billy hat merkwürdige Freunde, die nicht davor zurückschrecken, gewalttätig zu werden, um zu bekommen, was sie brauchen. Eine Pistole, einen Handschuh und eine kleine Schminktasche. Das sind die Utensilien, die Billy in der Souterrainwohnung bei Nicki aus Angst vor seinen gewalttätigen Freunden versteckt.
Einige Zeit danach, als Nicki die Wohnung längst wieder verlassen hat, weil Cassandra ihr den Tod ihres kleinen geliebten Hundes vorwirft, taucht Billy auf und fordert die Herausgabe der Sachen. Cassandra erfährt die Geschichte hinter der Pistole, dem Handschuh und der kleinen Schminktasche und bietet an, sich um die Geschichte zu kümmern.
Ob es daran liegt, dass bald wieder Weihnachten ist, lässt sich nur vermuten. Denn all die Vorkommnisse der letzten Tage machen aus einer gebildeten boshaften alten Frau, die auf kriminelle Art und Weise ihre Galerie und ihr gesellschaftliches Ansehen aufs Spiel gesetzt und verloren hatte, einen Menschen, der beginnt, nachzudenken.
Es kommt wie es kommen muss: Showdown. Mit Nicki, Billy, dessen kriminellen Freunden und Cassandra als Verteidigerin und Beschützerin der Guten.
Doch das Schicksal will seinen Preis.
Schwer verletzt liegt Cassandra nach einer Messerattacke nun in der Klinik. Bei dieser Gelegenheit erfährt sie von ihrer unheilbaren Erkrankung, die sie annimmt und ihrer Familie endlich wieder näherbringt.
Diese Graphic Novel ist eine etwas andere Weihnachtsgeschichte.
Bremen, 9. November 2019