Farahs Tante Zohra hat noch nie ein wirklich spannendes Geburtstagsgeschenk mitgebracht. In diesem Jahr, zu ihrem zwölften Geburtstag, ist es ein rechteckiges, in braunes Papier eingewickeltes Päckchen.

Zum Vorschein kommt eine Schachtel aus poliertem Holz. Darin befindet sich ein Spielbrett, kunstvoll verziert, bestimmt hundert farbig schimmernde Würfel, vier Spielfiguren und ein prall gefüllter Sack mit Sand.

Farah und ihre Freunde Essie und Alex staunen nicht schlecht. Das ist doch mal ein nettes Geschenk. Aber eine Spielanleitung scheint es irgendwie nicht zu geben. Und was ist das. Auf einmal scheint die ganze Holzschatulle zu beben. Erst unmerklich, dann immer mehr.

Auf einer Holztafel die an der Schachtel befestigt ist, bewegen sich auf einmal ganz schnell goldene Buchstaben bis sie schließlich einen kurzen Text ergeben:

Spielanleitung:
Alle Spielfiguren werden in der Mitte des Spielbretts aufgestellt.
Der Sand wir in den vier Ecken angehäuft.
Ein Mitspieler sagt: „Wir sind bereit.“
Sobald das Spiel begonnen hat, werden die Regeln offenbart.
Das Unsichtbare wird sichtbar werden.

Alle drei sind sich einig – das klingt spannend. Allerdings ist Farah etwas unheimlich zumute. Die Spielanleitung, die wie durch Zauberhand geschrieben wurde und überhaupt umgibt das Spielbrett etwas merkwürdiges.

Als gerade alles aufgebaut ist und sie drei Spielfiguren in die Mitte gestellt haben, wird es auf einmal sehr windig im Kinderzimmer. Farah glaubt für einen kurzen Moment, dass sich die Tür des Zimmers geöffnet hat, aber wahrscheinlich war das nur Einbildung.

Gespannt schauen die drei auf das Spiel. Die drei unscheinbaren, gesichtslosen Tonfiguren sehen plötzlich wie ihre Ebenbilder aus. Das gibt es doch gar nicht. Unmöglich!

In dem Augenblick nimmt Farah im Augenwinkel eine Bewegung war. Ihr kleiner Bruder Ahmad springt wie ein geölter Blitz auf, nimmt sich die vierte Spielfigur und während er noch ruft „Wir sind bereit“, springt er in die Mitte des Spielbretts und ist – von einer Sekunde zur anderen verschwunden.

Verdutzt schauen die drei Freunde auf die Stelle, an der Ahmad eigentlich zu sehen sein müsste. Aber er ist tatsächlich wie vom Erdboden verschluckt.

In diesem Moment kommt Tante Zohra ins Zimmer. Als sie das aufgebaute Brettspiel erblickt, wird sie kreidebleich. „Wo habt ihr das Spiel her? Ich hatte dir doch ein paar Bücher eingepackt. Du solltest auf keinen Fall dieses Spiel bekommen. Niemand sollte dieses Spiel jemals zu Gesicht bekommen.“

Als die Kinder ihr erklären, das das Spiel Ahmad verschluckt hat, verliert Tante Zohra vollkommen die Fassung. „Das darf doch nicht wahr sein. Ihr müsst sofort hinterher und ihn finden. Er kommt da nicht von alleine wieder raus.“

Alex, Essi und Farah stellen sich auf das Spielbrett und rufen „Wir sind bereit“. Die drei werden durch einen gewaltigen Sog in das Spiel gezogen. Dort erwartet sie eine große Herausforderung. Denn die Stadt, in der sie gelandet sind heißt Paheli und Paheli bedeutet Rätsel.

Bremen, 7. November 2018