Bei den alten Damen im Seniorenheim ist Mr. Oliver Parkins beliebt. Für jede von ihnen hat er ein freundliches Wort. Das gilt auch für Schwestern, Pfleger und Ärzte.
Niemand hier weiß, wer er wirklich ist und was für ein Leben er gelebt hat, bevor jemand so barmherzig war, ihn hier in dieses Staatliche Seniorenheim zu bringen, damit er ein Dach über dem Kopf und einen ruhigen Lebensabend hat.
Völlig orientierungslos und ohne Papiere hatte man ihn an der Küste von West Penwith aufgegriffen. Alles, was er bei sich hatte, war ein Rucksack mit sechs Flaschen Rum. Er sei am 21. Juni 1906 geboren, sagte er dem Heimleiter damals. An mehr konnte er sich angeblich nicht erinnern.
Gerade sitzt der alte Oliver Parkins im Lehnstuhl seines Zimmers und träumt seinen Lieblingstagtraum. Vom Zirkus. Vom Geheimnis seines Lebens. Fast wäre er darüber eingenickt, als es klopft.
Mr. Halpenny ist gekommen, der mit ihm über seine Medikamente sprechen möchte. Es sei ihm aufgefallen, sagt er, dass Mr. Parkins in letzter Zeit noch ein wenig vergesslicher geworden sei, als üblich.
Dieses Thema umschifft der alte Mann sehr geschickt, indem er ihn fragt, ob er ihm schon mal von seinen Abenteuern mit Alfonso Panzini erzählt habe und ob er nicht endlich wissen wolle, woher er eigentlich komme und wer er in Wirklichkeit sei.
Mr. Halpenny wird hellhörig. Bei diesem Thema hatte der alte Mann immer abgelenkt und so getan, als erinnere er sich nicht. Das hatte sich offenbar geändert. Also bleibt er, obwohl er Feierabend hat und hört der Geschichte des alten Mannes zu, der Oliver Parkins ist.
Er erfährt, dass die Männer der Stadt im Krieg sind, auch der Vater von Oliver Parkins. Mr. Halpenny hört, dass Olivers Mutter allein für ihn und seine kleine Schwester sorgen muss, dass wenig Geld da ist und dass der Speisezettel in diesem Sommer recht eintönig ist, weil erstens der Sommer zu trocken ist und zweitens die Bauern eine schlechte Ernte eingefahren haben.
Eines Tages hält in Olivers Heimatstadt Fairie’s Willow ein Zirkus. „Panzinis Circus – die vielleicht größte artistische Darbietung Englands gastiert in Fairie’s Willow. Nur zwei Wochen lang!“
Oliver ist fasziniert und will unbedingt eine der Vorstellungen besuchen. Seine Mutter hat für einen Zirkusbesuch aber leider kein Geld.
Er findet sich damit ab und macht, was er immer macht. Er legt sich auf die Wiese und beobachtet die Wolken. Dabei entdeckt er ein Eichhörnchen, das sich ausgesprochen merkwürdig verhält. Es läuft vor ihm her und gibt ihm Zeichen. Oliver soll ihm folgen. Später wird es behaupten, es habe seinen Wellensittich Matthew ausgiebig über ihn ausgefragt.
Wie auch immer. Oliver folgt dem Tier, das in einem Zelt verschwindet. Oliver überlegt kurz und geht ihm nach. Er schaut sich um. Leer. Bis auf ein Bücherregal und eine Standuhr, die exakt in der Mitte des Zeltes steht. Leider wird er erwischt und unfreundlich aufgefordert, das Zelt zu verlassen.
Oliver erzählt seinem besten Freund, dem etwas zu vorlauten Alfie von seiner Entdeckung, der sich darüber köstlich amüsiert. Merkwürdige Eichhörnchen gibt es nicht und ein Zelt mit nur einer Standuhr hat er auch noch niemals gesehen. Alles Quatsch!
Keiner weiß, warum – aber Olivers Mutter hat plötzlich drei Eintrittskarten für den Zirkus und auch Alfie und seine Eltern sehen sich die Vorstellung an. In der Pause überredet Oliver seinen Freund, mit ihm nach diesem merkwürdigen Eichhörnchen Ausschau zu halten, an das er immer wieder denken muss.
Sie finden sich in diesem Zelt mit der Standuhr wieder, in dem Oliver vor ein paar Stunden noch gewesen ist. Die beiden Jungs erschrecken sich, als sie plötzlich angesprochen werden. Von einem Mann, der sich als Zirkusdirektor Alfonso Panzini vorstellt und der behauptet, ein berühmter Magier und Gauklerfürst zu sein. Dann stellt er ihnen das Eichhörnchen Rodolfo vor, das in der Lage ist, sich mit ihnen zu unterhalten und das behauptet, so viel über Oliver zu wissen, weil es sich lange mit Mathew unterhalten haben will, ihr wisst schon.
Dann wird es wirklich magisch. Panzini erzählt von einem geheimnisvollen Königreich mit Namen Carsalen. Dieses Land liegt hinter den Sternen, sagt er. Angeblich ist diese Welt von bösen Mächten bedroht, erzählt er. Man habe lange nach dem Auserwählten gesucht, den eine alte Prophezeiung vorhergesagt hat. Aber jetzt, sagt er, sei er sicher, ihn gefunden zu haben und dass er, Oliver, dieser Auserwählte ist.
Natürlich kann Oliver das alles nicht glauben und Alfie macht – vorlaut wie immer – klar, was er von dem hält, was Panzini da gerade erzählt. Doch Oliver fühlt sich auf eine ganz bestimmte Weise von der Erzählung angezogen und willigt schließlich ein, Panzini in seine Welt zu folgen und zu versuchen, das Königreich Carsalen zu retten. Unter der Bedingung, dass sie zum Beginn des zweiten Teils der Vorstellung wieder zurück sind. Und – dass auch Alfie mitkommen darf. Er darf.
Und – wie kommt man in dieses Königreich? Mr. Panzini öffnet die Tür der Standuhr und macht eine einladende Geste, ihm doch bitte zu folgen.
Spätestens hier war ich so fasziniert, dass ich das Buch nicht zur Seite gelegt und es zu Ende gelesen habe. Ich warte sehnsüchtig auf die Fortsetzung. Euch geht es bestimmt nicht anders!
Bremen, 20. September 2018