Das hier ist eine Geschichte aus dem Leben. Wirklich wahr.
Es geht um einen Mann, dem es eines Tages nicht mehr reicht, einfach nur einer zu sein, der täglich zur Arbeit geht, in seiner Freizeit Fußball spielt und zu Hause fernsieht. Eigentlich möchte er viel lieber eine Blume sein. Ihr habt das richtig verstanden. Eine Blume.
Und er beginnt, sich das auszumalen. Dabei ist seine Fantasie grenzenlos und reicht von der Vorstellung, dass er hoch hinaus wachsen könnte, dass er eine Blume an einem Strauch sein könnte und so weiter. Immer dann, wenn er zum Beispiel als Butterblume verwelkt, müsste es möglich sein, eine andere Blume zu sein. Eine Mohnblume, zum Beispiel oder eine Rose, die betörend duftet.
Er stellt sich vor, dass eine Frau ihn und andere seiner Art zu einem Kranz bindet und mit ihm auf dem Kopf tanzt. Der Duft würde alle, die es riechen könnten, glücklich machen. Oder aber, er könnte sich vorstellen, eine Frau zu sein und Kleider zu tragen. Aber das würde ihm sein Chef nicht erlauben, weiss er. Also hakt er das ab.
Irgendwann ist Fasching. Was denkt Ihr, als was unser Mann sich verkleidet? Als Frau? Nein. Als Käfer? Falsch. Er geht als Blumenwiese. Das findet er klasse. Sein Kostüm ist aus Gras, sein Kopf schmückt eine Sonnenblume und auf seinen Schultern wachsen Mohnblumen. Er sieht so wunderschön aus, dass er großen Beifall bekommt. Und da steht dann diese Tulpe vor ihm. Die geht mit ihm nach Hause in sein Bahnwärterhaus.
Und so wird aus dem Bahnschrankenwärter, der eigentlich lieber eine Blume wäre, ein glücklicher Mann, aus dessen Haus die aller schönsten Blumen rankten und nicht aufhören wollten, zu wachsen.
Das hier ist eine Geschichte aus dem Leben. Wirklich wahr.
Bremen, 15. April 2018