Da sind Hanna und Ben. Sie sind schon immer beste Freunde. Sie kennen sich in- und auswendig, verständigen sich meist ohne Worte, sie sind sich vertraut. Sie mögen sich. Und trotzdem scheint es etwas in Bens Leben zu geben, über das er niemals spricht. Etwas, das ihn hin und wieder so sehr belastet, dass er sich für eine unbestimmte Zeit „unsichtbar“ macht.
Ben hat eine unglaubliche Ausstrahlung auf andere, der man sich nur sehr schwer entziehen kann. Betritt er zum Beispiel einen Raum, füllt er ihn mit seiner Präsenz aus. Mit seinem Charme. Mit seiner Art, Geschichten zu erzählen. Mit dieser unverwechselbaren Stimme, die bei Hanna immer ein bisschen Gänsehaut erzeugt. Will man wissen, wo Hanna ist, muss man nach Ben suchen. Und umgekehrt.
Klingt nach einer tollen Freundschaft mit ganz viel Luft nach oben, oder?! Ja. Wäre da nicht Bens Spezialität: „Gehen ohne Abschied“. Das passiert, wenn er seine „dunklen Tage“ hat. Hanna bleibt jedes Mal wütend und ratlos zurück. Wartet, dass er zurück kommt.
Gerade hat sie ihren Geburtstag gefeiert und niemand wusste, ob Ben wirklich kommen würde. Schließlich hatte er sich mal wieder unsichtbar gemacht. Aber er kam. Und blieb.
Ein paar Tage später endet mit der Zeugnisvergabe die Schulzeit. Eine große Sache. Endlich jede Menge Freizeit bis zum Beginn des Studiums. Hanna freut sich auf den Ball. Ben holt sie zwar am Abend ab, macht aber klar, dass er die Feier lieber schwänzen und mit Hanna spontan irgendwohin fahren würde. Sofort. Hanna macht das natürlich nicht mit. Es kommt zum Streit.
Früh am nächsten Morgen steht Ben vor der Tür und fragt Hanna noch mal. Diesmal sagt sie zu, auch deshalb, weil sie sich mit Ben den nächsten Schritt der Freundschaft erhofft. Geknistert hat es zwischen den beiden ja immer schon, aber passiert ist bis heute nicht wirklich etwas.
Das klapprige Auto fährt sie ans Meer. An einem einsamen Strand bauen sie ihr Zelt auf und kühlen sich im Meer ab, werden von der etwas skurrilen Cloé erwartet, als sie aus dem Wasser kommen und müssen sich Cloés Standpauke anhören: Es sei besser, an dieser Stelle nicht wieder zu baden, weil eine alte Legende erzählt, dass hier regelmäßig junge Männer ins Meer gelockt werden und niemals zurück kommen. Sie wisse nur zu gut, wovon sie spricht.
Hanna und Ben hören interessiert zu, schieben das Gehörte aber beiseite. Doch diese düstere Legende, die man sich im Dorf erzählt, seit Cloés Freund ertrunken ist, wie sie sagt, wird zum Leitfaden ihrer Ferien. Da wechseln sich die schönen Dinge mit den weniger erfreulichen und oft gefährlichen ab.
Schön ist, dass Hanna und Ben sich endlich näher kommen. Trotzdem passieren Sachen, die sie nicht wirklich einordnen können und die sie verunsichern.
Und irgendwann ist Ben verschwunden. Erst denkt Hanna, er habe sich mal wieder „unsichtbar“ gemacht. Als sie erfährt, dass er schwimmen gegangen ist, obwohl ein Sturm aufzog, wird ihr schmerzhaft klar, dass die Legende sich erfüllt hat. Oder doch nicht?!
Die Autorin dieses wunderbaren Romans ist erst 21 Jahre alt. Mit „Es ist gefährlich, bei Sturm zu schwimmen“ erzählt sie uns die Geschichte von zwei liebenswerten jungen Leuten, die trotz ihrer engen Freundschaft zueinander oft nicht in der Lage sind, sich dem anderen selbst in schwierigen Situationen ganz zu öffnen. Das gilt ebenso für Hannas großen Wunsch nach „mehr“ von Ben als auch für dessen Familiengeschichte, die sie erst verstanden hat, als sie Bens Tattoo versteht.
Ulla Scheler hat es geschafft, dass ich mit ihren beiden Figuren und deren Hoffnungen, Wünschen und ihrer Traurigkeit gelitten habe, dass ich über Situationskomik Tränen gelacht und auch ein paar Tränen geweint habe.
Auch, wenn Ulla Scheler gerade studiert, so hoffe ich, dass der Verlag ihr die Chance gibt, sich als Geschichtenerzählerin weiterzuentwickeln und zu etablieren.
Bremen, 23. August 2016