Schließt bitte Eure Augen. Ich begleite Euch in die Wüste. Zu Familien, die in der ständigen Angst leben, ihre Töchter an ihren grausamen und herzlosen König zu verlieren.
Lo-Melkhiin hat schon mehr als 300 Mädchen getötet, bevor er zur Brautschau in das Dorf kommt, von dessen Bewohnern ich Euch erzählen will. Immer, wenn es an der Zeit ist, beten unzählige Eltern, er möge ihre Tochter verschonen.
Lo-Melkhiin war ein Mal ein guter König. Eines Tages kommt er von der Jagd aus der Wüste zurück und hat sich komplett verändert. Ein Dämon hat Besitz von ihm ergriffen und lenkt seine Gedanken und seine Seele.
Also. Lo-Melkhiin fragt nicht, er hat die Macht, sich die zu nehmen, die ihm gefällt, macht sie zu seiner Königin und wenn er ihrer überdrüssig wird, schickt er sie in die Wüste zu den Wüstenraben, zu den Dämonen, die sich „ihrer annehmen“. Die Mädchen, die sich „opfern“, werden von den Zurückgebliebenen als Heldinnen verehrt, weil andere Töchter überleben konnten. Wenn vielleicht auch nur für eine kurze Zeit.
Hier beginnt die Geschichte zweier Schwestern. Beide auf ihre Weise wunderschön. Sie haben zwei Mütter und einen Vater, da es Brauch ist, dass der Vater mehr als eine Frau haben darf.
Sie stehen sich mehr als nah. Sie verstehen sich ohne Worte. Sie kommunizieren durch eine Gabe, die sie verbindet. Sie sind handwerklich außerordentlich begabt. Spinnen, Weben, Sticken. Das wird ihnen beiden zu gegebener Zeit das Leben retten. Das eigene und das ihres Volkes.
Als sich der König ein weiteres Mal auf Brautschau begibt, weiß eine der beiden Schwestern, dass sie es sein wird, die er wählen wird. Sie ist die Schönere. Der Vater ist mit der Karawane unterwegs und kann sie nicht beschützen.
Die jüngere Schwester handelt. Wortlos zieht sie sich am Tag der Brautschau das Brautgewand an, das sie gemeinsam mit ihrer Schwester gewebt und wunderschön bestickt hat. Als die Familien die Täuschung bemerken, behalten alle die Fassung, denn sie wissen: die Auserwählte ist eine Kämpferin, sie ist schlau, mutig und ohne Angst. Also lässt man es geschehen, dass die Schwester „die gepriesene Herrin“ auf dem Schloss des Königs sein wird. Niemand weiß, ob sie die erste Nacht überleben wird.
Lo-Melkhiin erkennt schnell, dass man ihn getäuscht hat. Was für ihn noch schwerer zu ertragen ist, ist, dass die Frau an seiner Seite keinerlei Angst ihm gegenüber zeigt. Sie hat einen starken Willen. Sie versteht es, ihn mit Geschichten von ihrem Volk bei Laune zu halten, ist beliebt bei der Dienerschaft, den weisen alten Männern, mit denen sich der König umgibt.
Als sie ihm eines Tages das Leben rettet, begreift sie, dass er von einem Dämon besessen ist. Als dann noch die Karawane des Vaters das Schloss erreicht und den König bittet, seiner Frau die Reise zur Hochzeit der Schwester zu gestatten, ist es an der Zeit, die Geschichte so spannend werden zu lassen, dass man es fast nicht mehr aushalten kann.
Eigentlich ist das eine Liebesgeschichte. Ihr werdet lesen, wie die Königin es versteht, mit ihrer Macht, ihrer Gabe, umsichtig umzugehen und nicht die Dämonen des Königs zu besiegen, sondern auch das Leben ihres Volkes zu retten. Gemeinsam mit ihrer Schwester.
Schöner Sommerschmöker für den Urlaub!
Bremen, 30. Mai 2016