Das ist die Geschichte von Vita und Luca. Die Geschichte einer Liebe, die erst auf sehr schmerzhaften Umwegen zueinander finden kann. Vitas Familie ist – vorsichtig formuliert – außergewöhnlich. Außergewöhnlich deshalb, weil niemand – weder Mutter noch Vater – über den Unfalltod ihrer Schwester sprechen will. Es gibt keine Fotos im Haus, keine Gespräche über ihre Schwester. Sie ist bei einem Unfall gestorben. Basta. Und Schweigen. Jegliche Anspielung auf ihre Schwester wird von den Erwachsenen im Keim erstickt. Unfassbar, findet Vita. Ihre Eltern haben sich offenbar seit Jahren nichts mehr zu sagen. Jeder lebt sein eigenes Leben. Schweigsam. Emotionslos. Business as usual halt. Die Familie funktioniert. Nur das zählt.
Eines Nachts findet Vita per Zufall im Arbeitszimmer ihres Vaters das bis auf den Schluss noch unfertige Manuskript eines bekannten Autors und liest in der Eile ein dazugehöriges Schreiben des Lektors sowie ein paar Seiten. Sie weiß nicht, dass diese Situation ihr Leben verändern wird.
Vita, Trixie und Danilo sind beste Freunde. Immer schon. Die drei haben gerade ihre Schule abgeschlossen und wollen mit ihrem umgebauten Bulli zu einem langen Urlaub aufbrechen, bevor das Berufsleben auf sie wartet.
Die erste Station ihrer Reise ist Italien. In Viagello wollen sie ein paar Tage bleiben. Hier trifft Vita zufällig auf Luca, der sich als Seiltänzer sein Geld verdient. Seine Familie, erzählt Luca, vermietet Ferienwohnungen. Er lädt sie ein, auf dem Grundstück seiner Eltern zu campen. Das hört sich gut an, finden die Freunde. Vita bemerkt schon nach kurzer Zeit eine unerklärliche Nähe zu Luca, die sie nicht versteht. Auch Viagello scheint ihr seltsam vertraut. Sie glaubt, dass sie schon ein Mal hier gewesen sein muss, kann es aber – noch – nicht erklären.
Aus drei Freunden werden vier. Die jungen Leute beschließen, länger zu bleiben und es sich gut gehen zu lassen. Gemeinsam genießt man die neue Freiheit nach der Schule, Italien und das Leben.
Es ergibt sich, dass Luca Vita zum Essen bei seinen Eltern einlädt. Lucas Mutter hat sehr lecker gekocht. Es verspricht, ein schöner Abend zu werden. Als das Gespräch auf Vitas Familie kommt und Vita ahnungslos vom Beruf ihres Vaters und dem Unfalltod ihrer älteren Schwester erzählt, an den sie sich nicht mehr erinnern kann, weil sie gerade mal vier Jahre alt gewesen ist, verändert sich die Stimmung. Alles, was sich bis dahin so schön und richtig angefühlt hat, weicht Ablehnung und großer Wut. Die Liebenswürdigkeit von Lucas Eltern gefriert augenblicklich zu Eis, was zur Folge hat, dass die jungen Leute mit ihrem Bulli augenblicklich das Grundstück der Familie verlassen müssen. Die Gastfreundschaft ist beendet.
Keiner der jungen Leute kann sich das Verhalten von Lucas Eltern erklären. Beschuldigungen stehen jetzt im Raum, Beschimpfungen werden ausgesprochen, übergroße Wut macht sich breit.
Die Freunde sind entsetzt. Für Vita ist klar: Ihre Familie war schon ein mal hier. Hier ist etwas passiert, an dass sie sich nicht mehr erinnern kann. Sie war damals noch zu klein. Sie wird den Grund für das Verhalten von Lucas Eltern herausfinden. Das gestaltet sich schwieriger, als sie glaubt. Denn je näher sie der Wahrheit kommt, desto mehr Ablehnung und Feindschaft erfährt sie von Lucas Familie und deren Umfeld. Gut ist, dass ihre eigenen Erinnerungen Stück für Stück zurückkehren, bis alles einen Sinn ergibt und die Wahrheit endlich ausgesprochen wird.
Wir erfahren in diesem wunderbar erzählten Jugendroman, was sich vor vielen Jahren in Viagello ereignet hat, warum und wie Vitas Schwester gestorben ist und wer daran die Schuld trägt.
Ich empfehle sehr, auch die anderen Romane von Isabel Abedi zu lesen. Mit jedem dieser Romane wird eine großartige Geschichte erzählt.
„Die längste Nacht“ gibt es auch als Hörbuch.
Bremen, 25. März 2016